Yoga online: ja oder nein?
Als bekannt wurde, dass die Ausgangsbeschränkungen aufgrund von COVID-19 noch länger andauern werden, habe auch ich mir die Frage gestellt: Soll ich nun ein Online-Angebot auf die Beine stellen oder sollen wir – die Kursteilnehmer/innen und ich – die Krise durchtauchen?
Ich habe mich im Wesentlichen fürs Durchtauchen entschieden – mit dem Angebot vereinzelter „Schwimmhilfen“.
Die Mehrzahl der Teilnehmer/innen in meinen Kursen/Gruppen übt schon eine ganze Weile Yoga. Ich bin mir sicher, dass sie durch den Unterricht, den die einen mehr, die anderen weniger regelmäßig besuchen, ausreichend dafür gerüstet sind, jetzt für eine Weile alleine daheim zu üben. Viele haben das ohnehin schon gemacht, andere werden vielleicht durch die neue Situation dazu angeregt. Die Hürden, denen sie dabei begegnen, werden für die Entwicklung ihrer eigenen Praxis eher förderlich als hinderlich sein.
Jenen, die erst vor Kurzem eingestiegen sind oder nicht so regelmäßig in die Stunden kommen, würde ich lieber weiterhin persönlich zur Seite stehen, sehen, was sie tun, Hinweise geben, anleiten. Ich stelle ihnen gezeichnete Übungsprogramme mit Strichmanderln zur Verfügung, vereinzelt auch längere Abläufe als Video. Das ist nicht mehr als eine Erinnerungshilfe, die auch nur jenen nützt, die die Übungen bereits einigermaßen verinnerlicht haben. Das heißt umgekehrt – sie „brauchen“ sie nicht wirklich. Ich denke aber, dass sie motivieren können, den Einstieg erleichtern, und auch eine gedankliche Verbindung zwischen dem tatsächlichen Unterricht samt meinen Anleitungen und Hinweisen und dem Üben alleine zuhause herstellen.
Der wirkliche Unterricht wird dann – hoffentlich bald! – wieder ganz klassisch mit der physischen und geistigen Anwesenheit aller Beteiligten stattfinden. Ich denke, dass dieser Zugang dem, was Yoga eigentlich ist und sein soll, am ehesten gerecht wird.
Die aktuelle Situation zeigt aber auch das Problem auf, das entsteht, wenn Yoga zum Erwerbsmodell wird. Dafür eignet sich Yoga nun einmal nicht besonders gut.
Shandor Remete, ein wichtiger Lehrer meiner Lehrer/innen, fragt durchaus provokant: “Who needs online Yoga more? The guide or the guided?” (1)
Ich fände es unfair und etwas weltfremd, die Entscheidungen von Yogalehrenden in dieser Situation vom Standpunkt der „reinen Lehre“ aus zu beurteilen. Ich jedenfalls möchte niemanden verurteilen, die jetzt ein Online-Angebot auf die Beine stellt. (Nebenbei bewundere ich jede, die das schafft, so rein aus technischer Sicht 😉 ).
Ich bin in der glücklichen Lage, im Hauptberuf (noch?) kaum vom wirtschaftlichen Lockdown betroffen zu sein. Für viele andere, für die Yogaunterricht die Haupteinnahmequelle ist oder deren Zweitberuf ebenso auf Eis liegt, ist der Ausgangspunkt ein völlig anderer. Für sie ist es eine Frage der wirtschaftlichen Existenz, jetzt Alternativen anzubieten, um weiterhin ein Einkommen zu erzielen und nicht zu viele ihrer Teilnehmer/innen zu verlieren.
Ich bin froh, nicht in dieser Lage zu sein – und das ist vielleicht eine wichtige Erkenntnis aus der aktuellen Krise: So soll es für mich auch bleiben.
(1) Shandor Remete über Yoga in Zeiten der Quarantäne – eine Leseempfehlung: https://www.facebook.com/shadowyoga/posts/3025691157482409?__tn__=K-R